Ikonographie kaiserlicher Macht: Kaiserbildnis, Siegesdenkmal, Reliefschmuck und Münzen

Ikonographie kaiserlicher Macht: Kaiserbildnis, Siegesdenkmal, Reliefschmuck und Münzen
Ikonographie kaiserlicher Macht: Kaiserbildnis, Siegesdenkmal, Reliefschmuck und Münzen
 
Der Anspruch der römischen Kaiser auf unanfechtbare Macht wurde von Anbeginn an auch in der Kunst versinnbildlicht und propagiert. Dem Begründer der Monarchie, Augustus, kam hierbei durch seine überaus geschickte Verbindung älterer und vertrauter republikanischer Bildtraditionen mit neuen, allein auf die Person des Herrschers verweisenden Motiven eine wegbereitende Schlüsselstellung zu. Im öffentlichen Raum zeugten aufwendige Tempel und Profanbauten mit ihrem Reliefschmuck und ihrer gezielt inszenierten künstlerischen Ausstattung von den Ruhmestaten des Herrschers; Ehrendenkmäler und Altäre feierten die segensreichen Auswirkungen seiner Siege für den Staat und das ganze Römische Reich und wiesen auf seine Nähe zu den Göttern hin. Im engeren Kreis um den Kaiser und seine Familie ergötzte sich ein elitäres und gebildetes Publikum darüber hinaus an beziehungsreichen Verherrlichungen seiner Person auf kostbaren Prunkgeschirren oder geschnittenen Halbedelsteinen.
 
Eine zentrale Bedeutung hatte dabei stets das in jedem öffentlichen Gebäude präsente Bildnis des Herrschers, welches auch juristisch als dessen Stellvertreter fungierte, sodass Verstöße gegen das Kaiserporträt wie ein Anschlag auf die Person des Herrschers selbst geahndet wurden. Nach dem Tod eines »schlechten« Kaisers konnte der Senat allerdings beschließen, das Andenken an seine Person vollständig auszulöschen (damnatio memoriae); dies führte nicht nur zu einer Tilgung seines Namens aus allen offiziellen Dokumenten und Inschriften, sondern auch zu einer Vernichtung oder Verstümmelung seiner sämtlichen öffentlichen Bildnisse. »Guten« Herrschern wurde - zunächst nach ihrem Tod, später dann auch schon zu Lebzeiten - in eigenen Kaisertempeln oder in den Heiligtümern anderer Gottheiten kultische Verehrung erwiesen, wobei man vor ihren Bildnisstatuen Opfer darbrachte und eigene Priesterschaften für die Betreuung dieses Kaiserkultes einrichtete. An Gedenk- und Festtagen wurden Porträtstatuen, -büsten und -reliefs oder gemalte Tafeln mit den Bildnissen des amtierenden Herrschers und seiner verstorbenen Vorgänger auf Prozessionen gezeigt, um damit die unverbrüchliche Kontinuität der Monarchie zur Schau zu stellen.
 
Bei den Bildnissen handelte es sich keineswegs um Porträts nach heutigem, von der Möglichkeit einer fotografischen Reproduktion des Menschen geprägtem Verständnis. Obwohl eine »Wiedererkennbarkeit« der dargestellten Person im Kunstwerk gewährleistet sein musste, ging es hier in erster Linie um eine Versinnbildlichung übergeordneter Tugenden, Wertvorstellungen und Zielsetzungen des Herrschers in seinem Porträt. Die Dokumentation der idealen und in gewisser Weise überzeitlichen Eigenschaften und Qualitäten der Kaiser - beispielsweise ihrer militärischen Befähigung, ihrer souveränen Umsicht bei der Verwaltung des riesigen römischen Imperiums, ihrer Weisheit und Bildung, ihrer Großzügigkeit oder zurückhaltenden Bescheidenheit - verschmolz mit der Wiedergabe ihrer individuellen Physiognomie zu einer gestalterischen Einheit, die ganz auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Epoche abgestimmt war. Indem in der Regierungszeit ein und desselben Herrschers oft mehrere Bildnistypen des Souveräns geschaffen und zu besonderen politischen Ereignissen herausgegeben wurden, wurde dessen Selbstdarstellung gleichsam immer wieder aktualisiert. Die zweifellos unter direkter Kontrolle des Herrscherhauses entworfenen Kaiserporträts erfuhren sehr rasch eine nachgerade massenhafte Vervielfältigung und Verbreitung bis in die entlegensten Orte des Imperiums: Gezielt exportierte man einerseits die in Rom serienmäßig hergestellten Porträts, hielt andererseits aber auch die wesentlichsten Züge der Bildnisse in Musterbüchern fest, welche die Bildhauerwerkstätten der Provinzen als Vorlage benutzen konnten.
 
Zur Verbreitung des offiziellen Kaiserbildes trugen weiterhin sehr wesentlich die Münzen bei, welche - stets unter strenger staatlicher Aufsicht geprägt und sehr oft mit einer präzisen Angabe des Prägejahres versehen - das im Profil gezeigte Porträt der Herrscher in großen Mengen in Umlauf brachten. Dieses »Massenmedium« konnte darüber hinaus als reichsweites Propagandamittel eingesetzt werden, indem man die meist auf der Vorderseite wiedergegebenen Kaiser mit Darstellungen auf den Münzrückseiten kombinierte, die ihre Taten oder ihren privilegierten Schutz durch die Götter verherrlichten. Solche aufgrund der kleinen Maße der »Bildträger« zeichenhaft verdichteten Darstellungen erhielten dabei eine besonders schlagkräftige, fast unseren heutigen Werbeplakaten vergleichbare Wirkung.
 
Die Vermittlung der kaiserlichen Propaganda durch die Kunst konnte jedoch vor allem deshalb alle in sie gelegten Erwartungen erfüllen, weil man sich in ihr einer weitgehend gleich bleibenden Bildersprache bediente, welche für das System der Monarchie schlechthin verbindlich und zunehmend für ein breites Publikum verständlich war. So zeigten beispielsweise die Triumphbögen, die nach erfolgreichen Eroberungen der Kaiser auf Beschluss des Senats als Sieges- und Ehrendenkmäler errichtet wurden, neben einzelnen, auf den spezifischen Anlass und die individuelle Person des jeweiligen Herrschers verweisenden Szenen ein immer wiederkehrendes Standardrepertoire von Darstellungen, welche die Sieghaftigkeit aller »guten« römischen Kaiser und damit die des gesamten römischen Imperiums versinnbildlichten. Selbst ein in seiner Zeit so einzigartiges Monument wie die auf dem Forum des Trajan 113 n. Chr. geweihte Trajanssäule, deren etwa 200 m langes, spiralförmig gewundenes Relief die beiden Kriege des Herrschers gegen die Daker (101-102 n. Chr. und 105-106 n. Chr.) dokumentiert, bildete darin keine Ausnahme: Der Ablauf der Feldzüge und die herausragende Rolle des Kaisers werden hier bis auf wenige Ausnahmen als eine weitgehend stereotype Abfolge vertrauter Szenen (zum Beispiel Opferhandlungen, Ansprachen an das Heer, Unterwerfung der Barbaren) geschildert, welche übergeordnet wichtige römische Tugenden (wie Frömmigkeit, Eintracht, Mildtätigkeit) symbolisierten.
 
Dass die von den römischen Kaiserhäusern initiierte Propaganda nicht nur von den Familien der Herrscher und von ihren engsten Vertrauten und Mitgliedern des »Hofes« mitgetragen wurde, sondern auch bei den Bürgern der unteren Schichten auf fruchtbaren Boden fiel, bezeugen zahlreiche Denkmäler, die - oft von nur minderer künstlerischer Qualität - für den privaten Bereich geschaffen wurden. Hier begegnet man auf Tafelgeschirren, verzierten Möbeln, Lampen und anderen Gebrauchsgegenständen, aber auch in der Ausstattung der Privathäuser mit Skulpturen und Malerei sowie auf privat gestifteten Weih- und Opferaltären sehr oft genau den gleichen, die Kaiser verherrlichenden Motiven und Symbolen. Die von Anbeginn an auch in alle unterworfenen Provinzen getragene »Ikonographie der Macht« Roms trug dadurch zum Bestand der kaiserlichen Herrschaft bei.
 
Dr. Caterina Maderna-Lauter
 
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken. Gütersloh 1994.
 Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.
 Simon, Erika: Augustus. Kunst und Leben in Rom um die Zeitenwende. München 1986.
 Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder. Sonderausgabe München 21990.

Universal-Lexikon. 2012.

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